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Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)

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Reformvorschlag von Kurt Hiele (1948)

Warum wollen wir Vater mit f schreiben?

Die Reform unserer Orthografie steht wieder einmal auf der Tagesordnung. Daß unsere Rechtschreibung vieler Verbesserungen bedarf, wird schon seit langem von niemandem mehr bestritten: nur über das Ausmaß dessen, was sofort durchgeführt werden sollte, gehen die Meinungen auseinander. Schon Jakob Grimm, der als erster grundlegend unsere deutsche Sprache durchforschte, hat darauf hingewiesen, wie mangelhaft sie von unserer Schreibung wiedergegeben wird. »Unsere Schreibung, liegt im argen«, sagt er in seiner Deutschen Grammatik, und in seinem Wörterbuch verlangt er — schon vor 100 Jahren! — »daß der Wust und Unflat unserer schimpflichen, die Sprache entstellenden Schreibweise ausgefegt wird«. Die Bestrebungen, das durchzuführen, haben seit jener Zeit nie geruht, ohne jemals zu mehr als geringfügigen Verbesserungen geführt zu haben: die drei Reformen, die unsere ältere Generation schon erlebte, haben an den bestehenden Mißständen nichts Grundlegendes geändert. Die sogenannten »Andersschreibungen«, bei denen Worte mit anderen als den dafür normal geltenden Buchstaben geschrieben werden müssen, beherrschen nach wie vor unsere Orthografie und bilden die Hauptschwierigkeiten für ihre Erlernung. Warum sollen nun ausgerechnet wir in unserem völligen Zusammenbruch eine grundlegende Reform durchführen, die in besseren Zeiten immer wieder an den verschiedensten Widerständen gescheitert ist? Haben wir wirklich nichts Wichtigeres zu tun? fragen die unentwegten Verfechter des Alten.

Um das zu beantworten, müssen wir es uns klarmachen, wie sich die Mängel unserer Orthografie in der Praxis des Lebens auswirken. Was können wir durch eine Reform gewinnen und womit müßten wir das erkaufen?

Der Mangel, der von der Allgemeinheit am schwersten empfunden wird, ist die schwere Erlernbarkeit der Andersschreibungen mit ihren komplizierten und konfusen Regeln und Ausnahmen, die in der Schule eingedrillt werden müssen. Durch ihre Beseitigung könnte zusammengerechnet fast ein ganzes Schuljahr gespart werden. Diese Zeit benötigen wir aber dringend, um das Bildungsniveau unserer Volksschulen so zu erhöhen, wie es eine wirksame Demokratisierung verlangt.

Aus der schweren Erlernbarkeit ergibt sich der weitere Mißstand, daß der größte Teil der Volksschüler gar nicht die Orthografie richtig beherrschen lernt. Hierdurch wird die Kluft zwischen der Bildungsschicht, welche sich die Orthografie durch lange Schreibübung aneignet und der großen Masse derer, die nicht richtig schreiben können, besonders stark aufgerissen. Auch die Beseitigung dieser Kluft ist ein dringendes Erfordernis unserer demokratischen Neuordnung.

Die Widersinnigkeiten unserer Schreibung sind aber nicht nur schwer zu erlernen, sondern sie wirken sich auch ungünstig auf die geistige Entwicklung unserer Jugend aus; sie gewöhnen sich an ein traditions- und autoritätsgebundenes statt an ein logisches Denken. Unser demokratischer Neuaufbau verlangt aber ganz dringend eine Erziehung der Jugend zu freiem Denken und zum Handeln aus eigener Einsicht, nicht nach eingedrillten Vorschriften. Diese Erziehung wird durch die Drillmethoden schwer beeinträchtigt, mit denen unsere Orthografie beigebracht wird.

Eine einheitliche Schreibung mit den normalen kleinen Buchstaben auch der Hauptwörter, der f-, k- und i-Laute (f statt v und ph; k statt c und ch, ks statt chs und x, kv statt qu; i statt y) würde ein Großteil der heutigen Schwierigkeiten beseitigen. Die Einführung einfacher Zeichen für das lange i = ie = ih, für ch und sch würde dazu noch den Ballast an Totzeichen und alle Schreibarbeit vermindern und unsere ganze Buchproduktion verbilligen. Die neuen Zeichen ließen sich so ausbilden, daß sie leicht in ihrer Bedeutung zu erkennen wären und sich gut in den Duktus unserer Schrift einpaßten. Z. B. das lange i als î mit Dachstrich, ch als h mit zusätzlicher Unterlänge, sch als s mit angefügter Oberlänge des h.

Die aufzuwendenden Kosten für die Änderungen an Schreib- und Setzmaschinen wären ganz geringfügig und nur für das Ergänzen des erforderlichen Handsatzmaterials etwas bedeutender.

Der Einwand, daß hierbei Sprach- und Kulturwerte beeinträchtigt würden, ist leicht am Beispiel der f-Schreibung zu widerlegen. Worte wie Vater und Vieh wurden im Althochdeutschen — wie heute noch im Englischen — mit f geschrieben. Dann kam im 10. Jahrhundert mit den irischen Mönchen, die nach keltischer Art das v lateinischer Worte stimmlos wie f aussprachen, die Mode auf, auch in deutschen Worten v statt f zu schreiben; im Mitteldeutschen breitete sich diese Mode sehr weit aus: man schrieb auch Frau, finden, fallen mit v. Dann flaute sie ab: das v wurde erst vor Konsonanten, dann auch vor Vokalen wieder durch das f ersetzt, erst im 19. Jahrhundert in Fleiß und fest. Der heute noch verbliebene Rest, den unsere Kinder sich mühsam einprägen müssen, ist frei von irgendwelchen etymologischen Begründungen. Wir schreiben sogar Worte gleichen Stammes, wie voll und Fülle, der vordere und fördern, mit verschiedenen Zeichen! Die Gründe dafür sind nicht stichhaltiger als der Zufall, der Schmutzreste in Zimmerecken vor dem Auskehren bewahrt! Besonders viele v = f haben sich in Ortsnamen erhalten. Hier wirken sie sich besonders schädlich aus, weil sie beginnen, die Lautung dieser Namen zu verfälschen, seit wir dazu übergegangen sind, das v in lateinischen Worten in richtiger Weise stimmhaft auszusprechen. Sogar ein so bedeutsamer Name wie Hannover (= hohes Ufer) muß es sich gefallen lassen, in immer weiteren Kreisen mit dem falschen stimmhaften v ausgesprochen zu werden!

Der schon von Jakob Grimm gemachte Vorschlag, auch die letzten Reste der unberechtigten v-Schreibung von f-Lauten zu beseitigen, würde also nicht nur unsere Orthografie vereinfachen, sondern auch dazu beitragen, die Reinheit unserer Sprache vor fortschreitenden Verfälschungen zu bewahren.

Ebenso unzeitgemäß ist die Schreibvariante ph des f. Ursprünglich von den Römern eingeführt, um die bilabiale Aussprache des griechischen fi wiederzugeben, ist sie schon seit Jahrhunderten bedeutungslos geworden, nachdem dieser Laut fi allgemein wie das gewöhnliche Zahnlippen-f ausgesprochen wird. Die italienischen Humanisten haben schon vor 500 Jahren daraus die Konsequenz gezogen und die Schreibung fisica, filosofo eingeführt, ohne daß dadurch der Kontakt mit der klassischen Kultur irgendwie gestört worden wäre. Wir sehen also, daß es meist nur pseudohistorische Gründe sind, die für eine Beibehaltung der Andersschreibungen des f sprechen.

Ganz ähnlich liegt es auch bei den zahlreichen Schreibvarianten des k-Lautes: c, ch, ck, q und x. Durch eine konsequente k-Schreibung überall dort, wo wir den k-Laut sprechen, würden wir nicht nur unsere Orthografie wesentlich vereinfachen, sondern auch dazu beitragen, daß unsere Sprache klarer und wahrer in der Schrift zum Ausdruck kommt als bisher. Wie alle übrigen Andersschreibungen spiegeln auch diese weniger die Entwicklung der Sprache, als nur wechselnde Schreibermoden wider und werden nur künstlich durch den Zwang der Schule aufrechterhalten; mit einem Aufwand an Zeit und Mühe, der besserer Ziele wert wäre.

Das Abschneiden der orthografischen Zöpfe aus der Barockzeit, in der unsere heutige Schreibung von halbgebildeten Schreibern festgelegt wurde, wird an der Sprache selbst nichts ändern und kann daher auch keine sprachlichen Kulturwerte beeinträchtigen. Eine lautgerechte Schreibung wird im Gegenteil eine richtige und einheitliche Aussprache des Deutschen in allen Volksschichten fördern und es jedermann erleichtern, neben seiner Mundart ein einwandfreies Hochdeutsch zu sprechen.

Die einzige ernst zu nehmende Schwierigkeit bei einer durchgreifenden Reform auf phonetischer Grundlage wäre die, daß die neuen Wortbilder uns zunächst etwas befremden würden. Wie unseren Eltern Tür und wert ohne das gewohnte h, wird uns das fater mit dem f erst etwas »ungebildet« anmuten; wir werden uns aber sehr schnell an die neuen Wortbilder gewöhnen, da sie gar nicht falsch gelesen werden können. Die Jugend wird das Schreiben von fater und filosof mit anderen Buchstaben als f als Verschrobenheit belächeln; sie wird diese Worte aber auch in der altmodischen Schreibung auf den ersten Blick erkennen und unsere heutigen Bücher ebenso leicht lesen, wie wir Goethe, Klopstock und Luther in den Originalschreibungen ihrer Zeit, soweit uns der inzwischen vor sich gegangene Sinnwandel von Worten und Redewendungen nicht stört.

Eine durchgreifende Ausmerzung der widersinnigen Andersschreibungen wird unsere junge Generation von zeitraubendem und geisttötendem Drill entlasten und es ermöglichen, daß sie auch in den Schreibstunden zu klarem, vernunftmäßigem Denken erzogen wird.

Darum wollen wir gern die vorübergehenden Unbequemlichkeiten auf uns nehmen, die uns das Schreiben von fater mit dem f in der kurzen Zeit bereiten wird, bis wir uns daran gewöhnt haben werden.

Wir wollen den Neuaufbau, den wir vornehmen müssen, wenn unsere deutsche Kultur nicht untergehen soll, auch mit einer erneuerten Schrift beginnen, aus der alles das beseitigt ist, was für uns im Laufe der letzten Jahrhunderte zur Plage wurde und sich wie eine ewige Krankheit forterbte.

Forschläge

  1. Bereinigung fon den überflüssigen großbuchstaben.
  2. Bereinigung der schreibung der mitlaute:
    1. f wird überall dort geschrîben, wo man es spricht.
    2. k wird überall dort geschrîben, wo man es spricht, auch in den ferbindungen mit s und v. Nur ein g, das im auslaut stimmlos wî k wird, schreibt man auch weiter in stammschreibung: im fluge, flug, flugs.
    3. Stummes h hinter r und t fällt fort: reuma, Türingen.
  3. Bereinigung der vokalschreibung:
    1. y wird allgemein durch i ersetzt. Schon seit 2000 jahren wird das i-psilon fon grîchen selbst wî fon allen anderen wî i ausgesprochen. Es besteht kein grund dafür, in einzelnen wörtern, wî ritmus und fisik, anders als in kristall und silbe dî ü-aussprache der zeit des Perikles festzuhalten.
    2. Man schreibt einheitlich ei und eu statt ai und äu.
    3. Für das lange i wird ein neues zeichen: î eingeführt, um unbegründete schreibunterschîde zu beseitigen und tote zeichen zu sparen: mîr, îr, hîr, tîr, fîh. Hinter dem kurzen i mit dem punkt fällt dî ferdoppelung des mitlauts fort; bite, grif.
    4. Alle vokalferdoppelungen werden beseitigt — außer in wörtern auf ee und eer wî see, tee, meer, teer —, so daß als einziges dehnungszeichen das h ferbleibt.
  4. Bereinigung fon toten zeichen:
    Außer dem neuen zeichen für langes î werden einfache zeichen für ch und sch festgelegt und — zunächst neben den bisherigen zusammengesetzten — zugelassen. Dî auswekslung bei schreibmaschinen kostet etwa 3 mark je zeichen. Ähnlich billig ist sî bei setzmaschînen. î kann an dî stelle fon y eingesetzt werden, dî einheitlichen zeichen für ch und sch an Stelle von c und fon q oder x. Dî angst for neuen zeichen ist ganz unberechtigt: wîr haben bereits 8 neue zeichen in unser alfabet aufgenommen, dî das altlateinische nicht kannte: k, j, v, w, ä, ö, ü, ß; dî zeit für dî einführung einfacher zeichen für dî festumrissenen laute: langes i, ch und sch ist längst herangereift.

Kurt Hiele


s. 1
s. 2